leichtathletik im wandel mit nbl

Verfasser : G. Sonnemann, Sportanalyst, Berlin, Januar 2019

I./  aktuelle Probleme der Leichtathletik

I/T. 9  Versuch einer Analayse biomech.Daten

Versuch der Analyse  biomechanischer Daten in den leichtathletischen Sprungdisziplinen

 

 

den Artikel in T/8  fortführend :

 

Nach ausführlicher Analyse veröffentlichter biomechanischer Daten für die Disziplinen Hochsprung / Weitsprung / Dreisprung , ( auf dieser website unter T.8 )lässt sich sagen, dass die Daten keine taugliche Beschreibung der Einzelteile einer Disziplin darstellen.

Die gemessenen Einzelparameter der verschiedenen Institute sind für gleiche Leistungen und teils gleiche Athleten sehr unterschiedlich und  haben eine große Standardabweichung.

Nach Literatur haben

  -         Körperschwerpunktsmessungen  =  +/ -  3 % Streubreite um den tatsächlichen Wert

 -         Angaben zur horizontalen Anlauf-Geschwindigkeit von  =   +/- 0,2 m/s 

          Abweichung vom   tatsächlichen  Wert

  • Sonstige Geschwindigkeitsangaben( auch vertikale ) = bis+/ -12%Abweichung

             (alles nach Dr.Killing,[1] )

 

 

Dr.A.Huber schreibt zum Thema dazu in [ 2 ] :

 

 

" In den meisten Studien wird unter anderem wegen des messtechnischen Aufwands auf  die

Ermittlung der exakten Anfangsgeschwindigkeit als Parametergröße verzichtet…..

 

In welchem Toleranzbereich sich die leistungsrelevanten Merkmale rein rechnerisch für

 

eine bestimmte Sprungweite bewegen können, wurde erst sehr wenig oder nur

 

sehr vereinfacht beschrieben.

   

 

Welche Möglichkeiten und Strategien bestehen, mit tatsächlichen Anfangsbedingungen oder

individuellen Voraussetzungen die maximale Weite zu erreichen, wird zwar häufig diskutiert, ist

aber ebenso bisher nicht abschließend untersucht. "

 

Die Untersuchungen von Messdaten zum Weitsprung des DLV ,zur WM 2009

und der IAAF , zur WM 2017  bringen teils noch größere Messabweichungen

als oben beschrieben hervor.

( sie beziehen sich auf den Leistungsbereich von etwa 8,20 m )

V,horz.     Mi.  V,horz.   Mi.    V,vert.     Mi.  Rückla.  Mi.   Verlust   Mi.   Weite     Mittel

Absp.anf.       Ab.ende                                     winkel

                                  

IAAF:

9,42-10,0  9,71  7,82-9,56  8,68   3,32-3,84  3,60  34,6-38  36,16  0,53-2,80  1,98  8,18-8,48  8,30 [ 4 ]

 

DLV :                                                                                                                   

10,17-10,78  10,4  7,99-9,23 8,78   2,91-3,88  3,24  22-30   25,6  1,25-2,30  1,6 8,06-8,54  8,24        [ 3 ]          

 

Mit den Abweichungen der Durchschnittswerte von Einzelmessungen bei

DLV  zu  IAAF folgt:

                                                          Fehlmessungen                   Werteintervalle

                                                          DLV / IAAF          innerhalb einer Auswertung

                                                                                                        DLV           IAAF              

  • Horizontale Anlauf –  V=       -6,63 %                                 +/- 2,9 %         +/-3 %

  • Vertikale Geschwindigkeit=   + 11,1 %                           +/- 14,8 %         +/-7 %

  • Horz. V , Absprungende=       -1,1 %                                + / -7 %         + / -10 %

  • Rücklagewinkel=                     +41 %                                +/-15,6 %      +/-4,7 %

 

Andere Autoren geben für den Rücklagewinkel Werte von25,5 grad (

A.Huber) , 24,5 grad ( OSP Hessen ) an.

Wichtig sind dabei die %-tualen Abweichungen von Messungen vergleich-

barer Werte von DLV  zu IAAF, die als Fehlmessungen bezeichnet werden

können.

Die %-tualen Abweichungen innerhalb der Messungen eines Parameters

zeigen die Spanne der Parametergrößen an, die verschiedene  Athleten

bei gleichem Leistungsniveau haben.       

 

Werteintervalle für bestimmte Parameter für gleiches Leistungsniveau

durch verschiedene Athleten :

Nach der Normalverteilung  nach Gauß  heißt das für die Wertemessungen,

dass:

Rücklage                                        

                            A                          A2       Summe A 2/8   ϐ= Wurzel ausSumme ..    

               ( A= tatsächl.Wert – Mittel )                                                                               

Phillips        27-25,6 = 1,4          1,96

Mokoena   26-25,6 = 0,4         0,16

Watt           22-25,6 = -3,6       12,96

Lapiere      28-25,6 = 2,4          5,76

Rutherford 23-25,6 = -2,6       6,76

Sdiri            23 -25,6 = -2,6       6,76

Garenamotse 26-25,6 = 0,4    0,16

Tomlinson  30-25,6 = 4,4         19,36

Summe .                                    53,88                6,74                            ϐ = 2,60

 

d.h. , nach Gauß liegen die Wertemessungen zu 68,27 %  zwischen

25,6 +/- 2,6 = 28,2  -  23,0 grad

und zu  95,45 %  zwischen                           25,6 +/- 2*2,6 = 30,8  -  20,4  grad 

 

Die Werteintervalle für die  vertikale Geschwindigkeit

und die                               horz.V bei Absprungende

sind in der vollversion der Untersuchung enthalten.

 

Wertetabelle nach Messung DLV , für die WM 2009 :

 

 

Es ist zu beachten, dass die vertikale V  hier in Richtung des Abdruckwinkels gemessen wurde.

 

Wertetabelle der Messungen der IAAF, zur WM 2017 :

 

Auch hier sind die vertikalen Geschwindigkeiten zunächst in Richtung Abdruckwinkel gemessen und müssen dann mit dem Abdruckwinkel in reine vertikale  V  umgerechnet werden.

Es ist noch ein weiterer Aspekt bei der Einschätzung von Einzelparametern zu beachten.

Nicht nur, dass gemessene Werte mit einem beträchtlichen Fehlerrahmen behaftet sind, sie beziehen sich auch nur auf diesen speziellen Athleten.

Idealer Weise passen die Einzelparameter so gut zusammen, dass rechnerisch auch die Weite herauskommt, die der Athlet gesprungen ist.

Dann kann man analysieren, wo noch eventuelle Reserven bei diesem Athleten zu nutzen sind.

Ein Vergleich zu einem anderen Athleten ist kaum möglich , da das vorhandene Sprungvermögen es ermöglicht, mit ganz anderen Einzelparametern dieselbe Weite zu springen.

 

Ein Beispiel dazu:

Zwei Athleten können gleich weit springen, obwohl der eine mit

10,00 m/s anläuft, der andere nur mit 9,68 m .

                         V,Anlauf        Abflugwinkel    V,vert.  V,res.     h,max.        Weite

 

Springertyp 1   10,00          19,88                 2,94      9,87        1,585           8,07 m

Springertyp 2   9,68            21,07                 3,03     9,68         1,629           8,07 m

 

 

 

Versuch der Nutzung gemessener biomechanischer Daten :

 

Versuchen wir nun aus den messtechnischen Daten eines Sprunges Hinweise auf die technische und athletische Qualität eines Athleten zu bekommen.

 

Die großen möglichen Messunterschiede ( = Fehlmessungen ) sind aufgezeigt worden.

Ob eine tatsächlich erzeugte Anlauf von 10, 5 m/s  mit 10,7 m/s  oder nur mit 10,3 m/s  angegeben wird , ist doch ein großer Unterschied.

Dabei gibt es eine große Abhängigkeit der weitenbestimmenden Parameter untereinander.

  • Die Größe der horizontalen Anlaufgeschwindigkeit hat Auswirkungen auf alle weiteren Sprungparameter bis zur Landung.

  • Die Größe des Rücklagewinkels ist mitbestimmend für den Bremsstoß, damit für die horizontale Absprunggeschwindigkeit , aber auch für die Größe der vertikalen V, auch für die Größe des Umlenkwinkels, des Abdruckwinkels, der resultierenden Abfluggeschwindigkeit, den Abflugwinkel, …

  • Usw.

Es gibt aber auch Parameter, die sich allein rechnerisch aus anderen Parametern ergeben.

Das ist z.B. der Abflugwinkel, oder die Größe der resultierenden Abfluggeschwindigkeit.

 

Bei der Auswertung einer Parameteranalyse  muss vor allem auf die vom Athleten beeinflussbaren Parameter geachtet werden, das sind

 

  • Die Anlaufgeschwindigkeit

  • Der Rücklagewinkel

  • Die Sprungkraft ( für die vertikale V )

  • Der Abdruckwinkel

     

Es gibt zwei Möglichkeiten , mit den Analysedaten um zu gehen :

  1. Aus den großen Messunterschieden für tatsächliche Parametergrößen kann man folgern, dass es überhaupt keinen Sinn macht , aus solchen unsicheren Daten irgendwelche Schlüsse zu ziehen.

  2. Wenn man annimmt, dass die Daten ziemlich genau am tatsächlichen Wert liegen, kann man sie kritisch hinterfragen.

 

Das soll an einem Beispiel erfolgen :

 

Ein Athlet mit einem Leistungsvermögen von etwa 8,20 m wird von der 3-D Videoanalysetechnik mit folgen Daten ausgewiesen:

 

horz. Anl. – V    Rückl.winkel  .    horz. V       Verlust   vert. V     Höhe KSP      horz.Abstand KSP       

Abspr.beginn       delta             Abspr.-ende                                bei Ab.-Beginn  zum Fußaufsatz

 

  10,5  m/s           32 grad            8,7                 1,7            3,35               0,95 m            0,45 m

 

Sofort auffallend ist der große Rücklagewinkel von 32 grad.

Ist das ein grober Messfehler oder eine technische Schwäche des Athleten?

Dieser Rücklagewinkel fällt auch aus dem Wertestreuintervall nach Gauß = 20,4 – 30,8 grad.

Hier liegt also mit einer Wahrscheinlichkeit von 95,48 % eine Fehlmessung vor.

Mit den Kontrollparametern des KSP = Körperschwerpunkt lässt sich der tatsächliche Stemmwinkel berechnen.( diese Werte lassen sich sicherer erheben als Winkel oder Geschwindigkeiten)

Er ist in diesem Fall  tan delta = 0,45/0,95 = 0,474 <<< delta = 25,4 grad.

Der Sprung des Athleten geht aber normal weiter, und so kann es sein, dass die dem Rücklagewinkel folgenden Parameter von der Analysetechnik richtig erfasst worden sind.

In der Wertespanne nach Gauß liegen jedenfalls die Absprungsende – V  und auch die vertikale V.

Es besteht für Athleten und Trainer trotz festgestellter Falschmessung des Rücklagewinkels  also keine  Veranlassung hier an der Technik etwas zu ändern.

Führt man noch weitere Kontrollparameter ein, lassen sich weitere Analysedaten auf Richtigkeit prüfen.

Zur Kontrolle von Messdaten können aber auch theoretisch ermittelte Daten herangezogen werden.

So die kompletten Datensätze nach „ Sonnemann „ , veröffentlicht hier auf der web-site  unter IV./D .

Diese berücksichtigen die individuellen Fähigkeiten eines jeden Athleten, sehen also für eine bestimmte Endleistung je nach individuellem  Athleten auch anders aus.

Da diese Daten für die verschiedenen Athletentypen und unterschiedlichen Leistungsfähigkeiten jeweils vernünftige Endweiten berechnen, kann von einer guten Qualität der Einzelparameter ausgegangen werden.

( im Unterschied zu den Leitparametern im Hochsprung nach Killing/Böttcher/Keil, in die alle Athletentypen mit guten und schlechten Sprüngen eingerechnet wurden)

 

Abweichungen von gemessenen Parametern zum tatsächlichen Wert sind normal, aber in welcher Größenordnung sind sie auch akzeptabel?

Bei der Frage, wieviel an Weitenänderung die Veränderung eines Parameters bringt, muss beachtet werden, dass sich nie nur ein Parameter ändert, bzw. geändert werden kann, sondern in der Folge sich immer mehrere andere Größen  verändern.

Trotzdem, betrachten wir einmal die  Veränderung eines Parameters.

Welche Auswirkung hat z.B. die Änderung des Rücklagewinkels um  4 grad  auf die Endweite, wenn alle anderen Parameter so bleiben ?

Nach „ Sonnemann „  bringt ein um 4 grad kleinerer Rücklagewinkel eine um 30 cm größere Weite, also schon berücksichtigungswert.

V,horz.          Rückw.      WSP   Abdruckwinkel     V,vert.     Brems  + V,horz.         Weite

Ab.beginn                                                                                  stoß       .aus V,vert.

 

10,50                   32                0,54            21                       3,35             2,35            1,02                           8,48

10,50                   28                  0,478       21                       3,35             2,10            1,10                          8,79

 

Eine Verkleinerung des Rücklagewinkels um  4 grad  bringt in diesem Falle also eine Weitenverbesserung von etwa 30 cm.

 

Nutzen einer biomechanischen  3-D – Video -Datenanlyse

 

Die gemessenen Daten liegen in einem recht breiten Datenintervall .

Sie sind mit einem erheblichen Fehlerpotential behaftet.

Es  liegt bei Rücklagewinkeln bei bis 40 %  und bei vertikalen Geschwindigkeiten bei bis zu  10 %.

Das sind erhebliche Beträge, die zu einer völlig falschen Interpretation der Daten führen können.

Führt man auch nur eine Korrektur auf Grund falscher Messdaten durch, hat das wegen der gegenseitigen Abhängigkeiten Einfluss auf alle anderen Sprungparameter.

Man sollte daher  die Aussagefähigkeit  biomechanischer Messdaten sehr kritisch sehen.

Ein Nutzen für Trainer/Athlet kann nur entstehen, wenn alle Daten im Zusammenhang gesehen werden und bei der Bewertung die eigenen Erfahrungen von  Trainer / Athlet beachtet werden.

 

 

Quellennachweis:

  [1 ]   Trainings-und Bewegungslehre Hochsprung;2004;Punkt 5.3.4

[ 2]   A.Huber, Uni Tübingen; August 2012

 

        Eine biomech. Analyse des Absprungs beim Weitsprung

[ 3 ] biomechanics Report World Championships 2009 Berlin;

       Deutscher Leichtathletik Verband

[ 4 ) biomechanical Report,IAAF,WM 2017 ; Dr.Nicholson/Dr.Bissas/

       St.Merlino/ Dr.Tucker u.a.